STADTKRONE-URKONZEPT

Interview mit Kuratorin Marion Taube, 2017

Stadtkrone Dorsten

Eine Bürger-Utopie, von Grund auf machbar

 

 

TITEL STADTKRONE

 

Der ist kein feudaler fetter Titel, der mal eben geschickt auf dicke Hose macht. Ganz im Gegenteil. Die Stadtkrone geht zurück auf eine Gesellschaftsutopie des Architekten Bruno Taut, die er ziemlich genau vor 100 Jahren für die Herausforderungen urbaner Ballungsräume zu Beginn des 20. Jh. verfasst hat. Gebaute Gemeinschaft stiften.

 

 Jeder Menschein Bürger.Jeder Bürgerein Stadtjuwel. Marion Taube, Anstifterin und Kuratorin 

 

BÜRGERWILLE

 

Die Dorstener Stadtkrone ist im Kern sowas von basisdemokratisch und meint hier: die lustvolle Bereitschaft, mit den ureigensten Talenten, die jeder in sich trägt, sich selbst zu verwirklichen und die eigene Stadt mit einem Gemeinschaftsbauwerk, in diesem Fall die Landschaft selbst, zu adeln. Hier hat der Bürger den Hut auf, und nicht der Bürgermeister die Krone. Unsere Krone liegt  ach am Boden und ist ein offenes kreatives Angebot, taubes Gestein in Juwelen zu wandeln.

 

STADTJUWELEN

 

„Jeder Mensch ein Künstler, jeder Mensch ein Sonnenkönig“ so viel Anspruch hat Joseph Beuys an die Gesellschaft gehabt. Ich habe daraus als Losung für die Stadtkrone gemacht: jeder Mensch ein Bürger, jeder Bürger ein Stadtjuwel. Denn nur dort, im Vermögen jedes Einzelnen, schlummert die wertvolle Kraft, gesellschaftliche Prozesse zu gestalten.

 

KUNSTPFADE

 

Stadtkrone bedeutet, dass die Bürger sich auf die Suche begeben nach ihrem Wunschraum. Die Kunst geht voran heißt, dass wir uns fragend und sinnlich suchend durch die Landschaft bewegen. Es geht um Aneignungsprozesse, denn Aneignung führt zu Wertschätzung und neue Wertschätzung ist die Basis dafür, dass diesem vergessenen Park wieder Herzenswärme zuströmt.

 

WETTBEWERB ALS MARKE

 

Ein Wettbewerbsverfahren, das die Besten zur Teilnahme einlädt, um die Gestalt der Landschaft und des Treffpunktes der Stadtkrone als Landmarke zu eifern, ist schon als Verfahren so ein Pfund an Qualität, dass man sich für Dorsten freuen darf. Und auch in der Jury wird sich der Bürgerwille abbilden. Was für eine feine Sache.

Stellen Sie sich im Ergebnis einen professionellen Begleiter der Bürger für ihren Park und Garten und dazu auch noch einen feinen Gestalter für ein sinnstiftendes „Gartenhaus“ vor. Das Gartenhaus als Zeichen und Skulptur, das uns zugleich ein Dach überm Kopf bietet für diverse Aktivitäten sowie eine sensationelle Aussicht und sich nachhaltig in die Landschaft einfügt.

 

PLANER ALS BEGLEITER

 

Wer immer als Landschaftsplanungsbüro hier den Job übernehmen wird, ist mit Sicherheit der Erste, der verstehen lernen will, was Dorstens Bürger auf ihrer Sehnsuchtsagenda haben und der Beste, der das dann in Landschaft, die man ersehnt hat, umsetzt.

 

SUCHRASTER

 

Drei Suchpfade werden von Beginn im Prozess mit möglichst vielen Bürgern aus allen Stadtteilen eine zentrale Rolle spielen: 1. Mobilität, wie bewege ich mich zum Park und wie im Park, mit einem besonderen Blick auf ältere und behinderte Menschen, oder eben auch jene, die nicht alleine können, wie ein Langzeitkranker oder eine Hochschwangere, die aber frische Luft und Natur in besonderem Maße zur Genesung benötigten; da schweben mir e-mobile Grün-Taxis auf zwei Rädern vor und ein BürgerService, der das koordiniert;

2. Aufenthaltsqualität, wo kann ich sein, was lädt ein, was stößt ab, dazu wird es im März 2018 zum Auftakt gleich zweihundert einfache Holzklappstühle geben, die man an der alten Jugendverkehrsschule gegen ein kleines Pfand wird ausleihen können, um damit im Park ganz individuell zu testen, wo sitzt es sich gut, was ist für mich mein Lieblingsplatz. Selbst Experte für die Stadtkrone werden, sinnliche Bürgerautonomie, das ist mir wichtig. Landschaft muss man leben;

3. Traumgärten, was sehe ich, was vermisse ich, was ersehne ich. Ich jedenfalls vermisse heute zuallererst die Menschen unendlich und wünsche mir z.B., dass alle elf Dorstener Stadtteile Suchpfade nach Maria Lindenhof auslegen und Lust auf Patenschaften bekommen. Gärten der Kindheit als Suchmuster.

 

ANEIGNUNGSPROZESS

 

Dass wir nicht alle buddelnd, grabend, fällend und p anzend dort pausenlos unterwegs sein werden, ist ja klar. Die Bürgerkompetenz liegt eindeutig darin, ersteinmal selbst Experte zu werden für Maria Lindenhof, Sinnlichkeitshoheit zurück gewinnen, genau zu wissen und zu fühlen, was ist und da heraus benennen, was sein soll.

 

SPIELPLAN

 

Ich habe ja die Aufgabe, einen künstlerischen Spielpan und Eckpunkte bis Ende 2019 vorzulegen. Die Stadtkrone sozusagen als große Naturbühne der Beteiligung. So etwas steht und fällt mit den künftigen Parkbe“Suchern“. Die Dramaturgie ist schon lange in meinem Kopf, sie verdichtet sich nun grad mit den Ideen, die jetzt schon ein fließen, wie den „essbaren Garten“ von Bernd Pape, der in der LWL Tagesklinik arbeitet und bereits die BigPacks im PolderPark erfunden hat. Jüngst ging der Wunsch nach einem dauerhaften Cricketplatz ein, der über die afghanischen Flüchtlinge initiiert wurde. Oder die Sehnsucht einer Gruppe ganz junger Radfans nach einem hindernisreichen Parcours.

Ich bin davon überzeugt, dass wir unglaublich oft das Rad im Park nicht neu erfinden werden, sondern nur mit frischem und klugen Blick mal vorhandene Qualitäten herauspräparieren und dann z.T. nur umwidmen müssen. Das spart zudem Ressourcen, denn es ist ja nicht so, dass 2 Mio. Planungsmittel inkl. aller Planerhonorare auf 2 Hektar Fläche ein unendliches Potential darstellten. Auch da ist die schöpferische Erfinderkraft wie immer schon allein monetär eindeutig allen 0815-Ansätzen überlegen. Anfang 2018 stelle ich meinen Plan vor, der organisch mit dem Engagement der Bürger wächst.

 

17.11.17 *STRAHLEN

 

Der Abend des 17. Novembers soll Vorfreude und ein wenig Gänsehaut unter den Besuchern verbreiten. Wir machen mal kurz das Licht an und werfen einen Schein auf die Schönheit dieses Fleckens Erde. Dazu sind alle von Herzen eingeladen. Mit dem unglaublichen Engagement von THW und den Freiwilligen Feuerwehren Altstadt, Holsterhausen, Hervest 1 und auch Altendorf-Ulfkotte verzaubern wir Maria Lindenhof für einen Abend und wecken die Lust auf die Dorstener Stadtkrone der Zukunft.

Und an die Natur ist auch schon gedacht: so bereiten wir bereits zum 17.11. eine Blumenzwiebel-Spendenaktion vor, die uns 2018 gleich Freude machen wird als FrühjahrsBlühzauber, ein optisches warming-up sozusagen, in einer Zeit, in der wir den Park ja erst genauer unter die Lupe nehmen werden.

 

ERSTE KURATORENPFLICHT

 

Ich selbst sehe meine Hauptaufgabe als Kuratorin darin, die Ganzheitlichkeit der Idee und die Qualität hochzuhalten und ebenso den Kern des Anspruchs, dass es die Bürger sind, die diesen Park  finden und formen sollen. Dabei bevorzuge ich die holprigen Wege, mitten durchs Gestrüpp, weil sie nicht so ausgetreten sind und man auch mal beim Stolpern einfach die ungewöhnlicheren Aussichten hat.

 

BETEILIGUNGSMODELL

 

Die ideale Vision meines Konzeptes Stadtkrone ist ein hochmobiles liebevolles Beteiligungsmodell, in dem viele Einzelne Verantwortung werden übernehmen müssen und dieses tatsächlich einmalige Angebot dann leben. Das setzt eine Menge Vertrauen und Lust an neuen Wegen voraus, aber es verspricht dann auch eine besondere Bereicherung der eigenen Lebensqualität mitten in der Stadt. Ich bin darin Anstifterin, Auffangbecken für die besten Gedanken und Verteilerplattform in die klügsten Umsetzungskanäle.

 

LIPPEPOLDERPARK 4.0

 

Die Stadtkrone ist kein Stadtpark auf Zeit. Dieser Park wächst mit unseren Wünschen und bleibt. Das braucht Zeit. Gerade in der Entstehung. Aber er nimmt den Herzschlag aus 2015 auf. Die Stadtkrone muss gelebt werden.

 

MAGIE

 

Die Oude Marie der SchaukelbaumCrew z.B. wird ab dem wärmeren Frühjahr wieder so ein magischer Anziehungspunkt werden, mit einer sensationellen Aussicht auf Wasser und Natur, wo wir alle in Gesprächen zusammenkommen und die Seele baumeln lassen können. Bester Nährboden für gemeinschaftliche Zukunftsideen.

 

CREDO

 

Landschaft im 21. Jh. ist längst keine Frage mehr von Gestaltung, sondern von Sein. Das ist mein Credo für die Stadtkrone.

 

Stadtkrone ist das künstlerische Projekt zur Bürgerbeteiligung im Rahmen der Umgestaltung des Freizeitparks Maria Lindenhof, Dorsten.

 Wir machen MITte – Die integrierte Entwicklung der Innenstadt Dorsten wird gefördert und unterstützt durch