*RAUMFIGUR / *ESSBARER GARTEN

Benjamin Bronni (Stuttgart) / Stefanie Strauß (Dortmund)

„Gehäus“ Essbarer Garten: das alte Spielplatzrondell vis-a-vis LWL Wohnhaus bekommt eine wachsende Gestalt zum Gärtnern und Leben, Raumkunst als Lebensmodell

Es war einmal ein aufgegebenes Spielplatzrondell aus den 70erJahren, 102 Meter im Radius,16 Meter im Durchmesser, gelegen in einem 3 Dezennien vergessenen Park.

 

Ein Stück Land, das kein menschliches Auge mehr wahrnahm, weil der Schlaf des Vergessens sich tief im verkrauteten Sand eingegraben hatte. Unter dem Schleier von Verfall und Abgeschiedenheit aber dennoch Raum. Raum mit starken konzentrischen Konturen, gefasst von einem kniehohen rahmenden Wall, zentriert durch flechtenüberzogene Betonguss-Stelen, gescheitelt durch einen betonesken Walfischrücken, arrondiert von einer ausgedienten Betonsteinschnecke, begleitet von amphitheatralischen Treppenlagen.

 

Recht viele Bilder schon unterwegs dort, möchte man meinen. Dennoch: keines mehr stark genug, um den alten Spieleverband wieder lebendig werden zu lassen. Morbid anmutende Einzelstücke, verloren in Zeit und Raum, verloren der Kontext, verloren das einstige muntere Gefüge.

 

Gesucht war ein Künstler, der dem alten Zusammenspiel der Kräfte nachspüren könnte, und der zugleich kraft seiner Kunst in der Lage wäre, aus dieser Mottenkiste der Raumglieder eine neue starke Figur erstehen zu lassen. Gesucht war die Auferstehung des Raumes via einer Dramaturgie für den Raum selbst.

 

Das alte Rondell jedenfalls hat es bis auf Benjamin Bronnis Netzhaut geschafft und von dort konnte es einsickern in seine Sinne, um befragt zu werden von ihm. Ist der Raum Zumutung, oder braucht es Mut, ihn zu nehmen? Lassen sich die versandeten Raumbezüge neu komponieren? Wieviel muss man, wieviel kann man ignorieren? Was läßt sich wirklich künstlerisch prägen an diesem Ort ehemals starker Prägungen?

 

Der umgebende Park auf 2 Hektar im Dornröschenschlaf, Kraut und Rüben die unmittelbare Umgebung, das Verwunschene bis Belanglose die Anmutung des Alltags - alles gute Zutaten, um Mutter Natur als sinnliche Lehrmeisterin mit auf den Plan zu rufen. Warum keinen Garten Eden anlegen, einen, der wirklich allen schmeckt, einen, den alle mit anlegen, nutzen und hegen und pflegen können.

 

Benni Bronni hat es wohl gespürt, das, was sich da zurechtwuchs aus Gedanken, die sich um die Bürger und eine künftige Nutzung rankten, und gemocht hat er es spontan und dann zügig ersteinmal alles brutal wieder ignoriert. Was wichtig war. Bronni hat zuallererst und ohne viele Umstände und Ballast seinen Raum gedacht. Was fügt sich, welches Material braucht diese Landschaftsbaustelle, was verträgt sich mit den kauzigen kantigen Relikten, was geht sicher gar nicht. Schaltafeln wurden es schnell, gebrauchte; durch ihn neu gefügte, konstruierte verschaltafelte Körperhülsen schoben sich ins ungemache Gelände. Leer noch, roh und doch klar gefügt in seinem dekonstruktiven Duktus.

 

Und dann erst kam das Organische ins Spiel, auch professionell in Person der Pflanzenfee Steffi Strauß, und grub sich mit ein in seine Entwürfe und inspirierte wiederum die Formen, ihre Vielfalt. So wuchsen aus den gelbgeprägten Schaltafeln schmallange sich zum Ende verjüngende Körper, hier konvex, dort konkav verworfen, die sich dynamisierten, sich streckten und öffneten und überlagerten und vom ersten Tag an so eigen waren, dass sie rein visuell als banale Beetstätten komplett versagten. Ein Raumgeschenk, mit sich im Reinen, nützlich wie durch Zufall. Geniale Mischung.

 

In seiner frischen Raumfindung für das alte Rondell liegt eine elektrisierende Vorwärtsbewegung. In seiner künstlerischen Haltung aber ist ebenso stark das Jetzt eingeschrieben, das den Ort auf den Punkt in seiner Zeitenwende markiert und befragt.

 

Benni Bronnis Arbeit hat eine Eruption der Wahrnehmungsimpulse ausgelöst.

Ehemaliges Spielplatzrondell/„Essbarer Garten“. Der Name steht, die Destination aber ist endlich wieder völlig offen und strömt einem Meer an Fragen zu. Besseres vermag Kunst nicht zu spenden.

 

 

* RAUMFIGUR

Die in der Mitte stehenden Säulen sind der Mittelpunkt des kreisförmig angelegten Spielplatzgeländes. Sie sind das Herzstück, der Mittelpunkt, Verweilort, Tre punkt des Garten. Befreit von ihrer einstigen Funktion stehen sie nun selbstbewusst im Zentrum. Der ganze Aufbau des Spielplatzes wirkt wie eine Theaterkulisse, die Stelen im Zentrum des Platzes wie Akteure (Schauspieler). Eine Figurengruppe aus großen und Kleinen Stelen, manche ganz eng und manche auf Distanz. Finden sie sich oder löst sich die Gruppe auf. Nichts ist eindeutig.

 

Mein Ansatz ist es diese Bühne durch das Hinzufügen neuer Figuren (Protagonisten) als solche sichtbar zu machen. Dazu braucht es eine starke bildhauerische Sprache, die Verknüpfungspunkte zulässt und eine neue, selbstbewusste Formsprache hinzufügt.

 

Die neuen Skulpturen erfahren eine Art „Umnutzung“ durch ihre Bepflanzung. Auf ihnen wachsen Karotten, Kohl und alles was für ein Gemeinschaft bildendes Essen benötigt wird. Denn nichts verbindet uns mehr als das Essen. Das Anbauen von Gemüse ist eine Riesenchance für eine direkte Bürgerbeteiligung in dem Park.

 

Ich denke es ist wichtig diesem freien spielerischen Ort keine Eindeutigkeit zu verleihen. Im Spannungsfeld von Funktion und Nichtfunktion, Logischem und Unlogischem, Individuellem und Gemeinschaftlichem - darin sehe ich die Kraft und das Potenzial, den Menschen diesen Park zu öffnen, um ihn zu ihrer persönlichen Spielwiese werden zu lassen.

 

Nils Christensen

 

 

 

* ESSBARER GARTEN

Als ich das Gelände, auf dem der „Essbare Garten“ entstehen soll, zum ersten Mal betreten habe, war ich sofort fasziniert von der Kraft und der Ruhe, die dieser Platz ausstrahlt; ob da noch der klösterliche Ursprung lebt? Er wirkte irgendwie verwunschen, noch im Schlaf, als wolle er zum Leben erweckt werden. Ich bin sehr froh, das ich diesen Prozess nun mitgestalten kann.

 

Und für das prickelnde Leben, das sich hier ausbreiten will, sorgt allein schon das Konzept:

Kein herkömmlicher Garten, nein, die Spannung zwischen der Hochbeet- Skulptur von Benjamin Bronni, der die vorhandenen runden(!) Elemente“ wunderbar integriert, und den Pflanzenkompositionen mit besonderen Gemüsepflanzen, Kräutern und Blumen schafft eine besondere Atmosphäre.

 

Dieser Platz lädt ein zur Begegnung, zu sinnlichen Erfahrungen: zum Riechen, Schmecken und Erfühlen, zum Austausch, zu Diskussionen, zum gemeinschaftlichen Werkeln und Gärtnern, zum Mitgestalten! Alle interessierten Menschen sind willkommen!

 

Die englische Gartenarchitektin Gertrude Jekyll meinte schon Anfang des letzten Jahrhunderts: „Gärten sollen so sein, dass man darin lebt.“ Das wäre auch mein Motto und nicht nur für diesen, sondern für viele folgende Sommer.

 

Ich freue mich sehr auf die lebendige Zeit, die vor uns liegt. Auch bin ich  dankbar, wie viele unterschiedliche Menschen im Vorfeld kräftig mitwirken!

 

 

Nils Christensen

 

Stefanie Strauß

Stadtkrone ist das künstlerische Projekt zur Bürgerbeteiligung im Rahmen der Umgestaltung des Freizeitparks Maria Lindenhof, Dorsten.

 Wir machen MITte – Die integrierte Entwicklung der Innenstadt Dorsten wird gefördert und unterstützt durch